Zukunftsfähigkeit braucht Investitionen
Verbände stellen Ergebnisse eines Pilotprojektes zur Weiterentwicklung der Wasserversorgungsinfrastruktur vor
„Um auch zukünftig eine sichere und zu jeder Zeit verfügbare Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser zu gewährleisten, benötigen die Wasserversorger eine funktionsfähige und gut ausgebaute Infrastruktur. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Leitungsnetzen, Wasserwerken und Speichern, die unverzichtbar für ständig verfügbares, qualitativ hochwertiges Trinkwasser sind.“, so Dr. Torsten Birkholz, Geschäftsführer des Bundesverbands der Energie- und Wasserversorgung, Landesgruppe Norddeutschland (BDEW).
„Aufgrund des ausgeprägten Auf- und Ausbaus der netzgebundenen Wasserversorgung in den Jahren 1960 bis ca. 1980 erreichen oder überschreiten in naher Zukunft viele Leitungen ihre technische Standardnutzungsdauer und damit ihr erwartbares „Lebensende“. Der Reinvestitionsbedarf zur Erhaltung der Versorgungssicherheit muss und wird daher stark ansteigen.“, so Godehard Hennies, Geschäftsführer des Wasserverbandstag e.V. Bremen, Niedersachsen, Sachsen- Anhalt (WVT).
Mit dem Ziel, die langfristigen Herausforderungen zu identifizieren und nachhaltige Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Infrastruktur zu entwickeln, haben sich im vergangenen Jahr 35 Wasserversorgungsunternehmen aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt unter der Initiative von BDEW und WVT zum Pilotprojekt „Investitionsstrategie Wasser“ zusammengeschlossen.
Am 2.07.2024 wurden in Hannover unter Beteiligung von Politik und Verwaltung die Ergebnisse des Projektes der Öffentlichkeit vorgestellt. Oliver Hug von der confideon Unternehmensberatung GmbH, die das Projekt gemeinsam mit am-tec betreut hat, stellte im Rahmen des Termins zentrale Ergebnisse vor.
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„Durch das Erreichen der Standardnutzungsdauern für einen großen Anteil des Netzes wird an vielen Stellen eine zeitgleiche Erneuerung erforderlich. Je weniger heute investiert wird, umso höher wird der Berg an zukünftig notwendigen Reinvestitionen in die Wasserversorgungsinfrastruktur – die „Generationenschuld“ würde somit steigen.“, so Oliver Hug.
Ergänzt wurde diese Einschätzung mit dem Blick aus der Praxis von Stephan Schumüller, Geschäftsführer des Wasserverbands Garbsen-Neustadt (auf dem Foto rechts), der schon vor einigen Jahren einen grundlegenden Strategiewechsel eingeleitet hat: „Die Investitionen in die Leitungsnetze können nicht in kurzer Zeit gestemmt werden. Daraus ergibt sich die zentrale Notwendigkeit, Instandhaltungsstrategien und zugehörige Finanzierungskonzepte zu entwickeln, die über die 5 Jahres-Betrachtung der Wirtschaftsplanung hinausgehen. Das vorrangige Ziel ist nicht der Erhalt der niedrigen Entgelte, sondern der Erhalt der Versorgungssicherheit als Teil der Daseinsvorsorge.“, stellt Stephan Schumüller klar.
Mit Blick in die Zukunft, so die Ergebnisse des Projektes, ist daher für die Wasserversorgungsunternehmen nun der Zeitpunkt gekommen, an dem ein Handeln hin zu einer Substanzerhaltungsstrategie zwingend erfolgen muss. Hinzu kommen Investitionen, die in Hinblick auf mehr Resilienz und Klimaanpassungsmaßnahmen notwendig werden.
„Das Projekt hat gezeigt, dass Investitionen in Leitungsnetze und Anlagen deutlich erhöht werden müssen, um den hohen Standard der Versorgungssicherheit zu halten. Zur Finanzierung werden damit auch die Entgelte steigen müssen, denn deren aktuelles Niveau reicht für die zukunftsfähige Weiterentwicklung der Wasserversorgungsinfrastruktur vor Ort nicht aus. Hierzu benötigt es ein Bewusstsein und ein Umdenken in Politik und Öffentlichkeit.“, mahnt Godehard Hennies (li) .
„Mit den seit über Jahrzehnten starren Gesetzlichkeiten konnten keine Rücklagen für diese Erneuerung erwirtschaftet werden. Diesen Knoten gilt es zu lösen: mit den Verwaltungen, der Landespolitik sowie mit den Bürgern. Wir brauchen u.a. eine Reform des Kommunalabgabengesetzes bzw. eine Anpassung der Steuergesetzgebung, damit Wasserversorger Rücklagen für Investitionen bilden können. Und: Oberstes Ziel ist der Erhalt der Infrastruktur für nachfolgende Generationen, nicht die Gebührenstabilität in aktuellen Legislaturperioden.“ „Mit Blick auf die Zukunft gilt es, die Weichen neu zu stellen und das Vorgehen bei Investitionen und Erneuerungen sowie deren Finanzierung neu zu denken. Dazu braucht es auch unterstützender Lösungen, wie finanziellen Anreizen oder zinslosen Darlehen, für deren Bereitstellung ein politisches Umdenken erforderlich ist.“, so Dr. Torsten Birkholz abschließend. „Denn Fakt ist, je länger wir heute mit den dringend notwendigen Investitionen in unsere Infrastruktur warten, desto größer wird der Investitionsberg, den kommende Generationen bewältigen müssen.“