Nicht zu Ende gedacht
Stilllegungsflächen und Flächen der Agrarumweltmaßnahmen sofort für die Nahrungsmittelproduktion freigeben
NIENBURG. Mit großem Unverständnis reagiert der heimische CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Frank Schmädeke auf die Ankündigungen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium für 2022 mit einer Ausnahmeregelung den Aufwuchs auf ökologischen Vorrangflächen der Kategorien „Brache“ und „Zwischenfrüchte“ nur für die Nutztiere zu Futterzwecken freizugeben. Damit soll, so ließ es Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) verlauten, ein Beitrag zur Futterversorgung geleistet und die Wirkungen der steigenden Futtermittelpreise für die Landwirtinnen und Landwirte abgemildert werden.
„Das ist nicht zu Ende gedacht“, moniert Schmädeke, der im Niedersächsischen Landtag Mitglied im Agrar- und im Umweltausschuss ist. „Was auf solchen Flächen aufwächst, das dient in erster Linie ökologischen Aspekten und wird am Ende normalerweise untergepflügt, um den Boden zu verbessern. Diese bundesweit knapp 1,25 Millionen Hektar Zwischenfrüchteflächen und Brachen sollten wir in diesen schwierigen Zeiten nicht bloß für Viehfutterzwecken nutzen, sondern noch zur Frühjahrs-Aussaat für die menschliche Nahrungsmittelproduktion freigeben. Und zwar so viel und so effektiv wie möglich, um die Verluste auszugleichen, die durch den Krieg in der Ukraine entstehen“. Nicht jetzt sofort, betont der Agrarexperte, aber ab Herbst werde man sehr deutlich spüren, dass in der Ukraine derzeit nichts ausgesät und darum auch nichts zu ernten sein wird.
„Menschen können kein Gras essen und unseren Tieren bringt der minderwertige ökologische Aufwuchs auch nicht viel“
(Foto: Countrypixel)
„Was wir brauchen ist die sofortige uneingeschränkte Freigabe zur Aussaat von Lebensmitteln. Niedersachsen verfügt über 24.000 Hektar Flächenstilllegungen und 41.000 Hektar sogenannter Agrarumweltmaßnahmen-Flächen. Die Stilllegungsflächen werden neben ökologischen Aspekten als agrarpolitisches Instrument eingesetzt, um auf dem Markt die Mengen landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu steuern. „Mit diesen Flächen könnten wir bei angenommenen Ertragsprognosen von sechs Tonnen pro Hektar, zusätzliche 400.000 Tonnen Getreide allein in Niedersachsen produzieren“.
Man werde jedes Kilo Brotgetreide oder auch Öl- und Eiweißfrüchte brauchen, so Schmädeke weiter. Zwar habe Minister Özdemir richtig festgestellt, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gefährdet scheint, man müsse jedoch den Gedanken auch zu Ende denken, denn vom Ausfall der Weizenproduktion in der Ukraine, die immerhin ca. vier Prozent der weltweiten Weizenproduktion liefert, sind auch zahlreiche Nordafrikanische Länder betroffen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass der Weizen so stark verknappt wird, dass der Einkauf von Weizen für Menschen in ärmeren Ländern unerschwinglich wird und sogar zu Hungersnöten führt. Von einem Grünen-Minister in einem Kabinett, dass Außen- und Umweltpolitik zusammenführen möchte, hätte ich mehr Weitsicht erwartet“.
Die Agrarministerinnen und Minister der unionsgeführten Länder hatten dazu bereits in der vergangenen Woche mit der sogenannten „Burg Warberger Erklärung“ deutlich Stellung bezogen.
Man bekenne sich zum Ziel einer nachhaltigen, umwelt-, klima- und tiergerechten Landwirtschaft. Doch die seit Kriegsbeginn in der Ukraine zu beobachtende grundsätzliche Neubewertung aller Politikfelder darf angesichts der zu erwartenden kurz- und langfristigen Auswirkungen der Ukraine-Krise vor der Agrarpolitik nicht haltmachen.
„In einer solchen Krise darf es keine Denkverbote geben“
(Foto: Thierry RYO)
so der heimische Landtagsabgeordnete abschließend. Auch die Agrarpolitik müsse angesichts dieses neuen Szenarios nochmals auf den Prüfstand.
Unterstützung für seine Forderung erhält Schmädeke vom stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Martin Bäumer, der am Mittwoch in Nienburg zu Besuch war: „Ich bin immer wieder verwundert, wie wenig ein grüner Landwirtschaftsminister von Zukunftsvorsorge hält. Es ist für jeden erkennbar, dass wir im Herbst in eine weltweite Nahrungsmittelknappheit hineinlaufen werden. Das hat viel mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, aber auch mit den dramatisch gestiegenen Preisen für Kraftstoffe oder Düngemittel. In dieser Situation braucht es jeden verfügbaren Quadratmeter Ackerland, um eine dramatische Krisensituation zu verhindern. Es soll hinterher niemand behaupten, er habe das nicht wissen können.“