Der letzte Weg soll anständig sein
Politik, Verwaltung, Schlachter und Landwirte diskutieren zum Thema „Hofnahes Schlachten“
BALGE. Zu einem Fachaustausch zum Thema „Hofnahes Schlachten“ hatte der heimische Landtagsabgeordnete Dr. Frank Schmädeke (CDU) am Donnerstag auf den Hof Benther Mühle eingeladen. Im Austausch sollten Kritik und Anregungen zur anstehenden Änderung des Europäischen Schlachtrechts und dessen Umsetzung in Niedersachsen aufgenommen werden. „Im Sinne einer praxistauglichen Umsetzung ist es mir wichtig, diejenigen zu hören, die später mit den Gesetzen und Verordnungen umgehen müssen“, betonte der Abgeordnete und begrüßte auch den heimischen MdB Maik Beermann (CDU), der die zusammengetragenen Informationen in die Berliner Beratungen einfließen lassen wird.
Neben engagierten Weidetierhaltenden und versierten Vertretenden der Schlachterinnung und Vertretern der behördlichen Aufsicht aus dem Landkreis, war Schlachtermeister Alwin Rolfes aus Detern in Ostfriesland angereist. Er präsentierte vor Ort sein „Schlachtmobil“, eine teilmobileSchlachtanlage, die Transportwege für Schlachttiere verkürzt.
„Wir wollen in Bund und Land das Tierwohl und die regionale Fleischvermarktung stärken. Für uns gehört die Möglichkeit einer stressfreien Schlachtung direkt auf dem Herkunftsbetrieb als ein unverzichtbarere Baustein dazu!“
Dr. Frank Schmädeke
so Schmädeke, der Rolfes von einem Besuch des Schlachters im Niedersächsischen Landtag kennt.
Gleichzeitig müsse die zunehmende Bürokratisierung als Herausforderung und Kostentreiber für kleinere Betriebe mehr in den Blick genommen werden, um Fleischer-Betriebe vor Ort zu unterstützen.
„Es ist mir ein Anliegen, die bestehenden Handwerksbetriebe zu entlasten und Anreize für die Reaktivierung von kleineren Betrieben auf den Weg bringen. Qualitativ hochwertige, regionale Schlachtung vor Ort muss wieder ein zukunftsfähiges und von den Verbrauchern getragenes Modell der Lebensmittelversorgung werden. Das eröffnet Chancen zu neuen Vermarktungsstrategien unserer heimischen landwirtschaftlichen Betriebe“.
Im sachlichen Austausch mit den Veterinären des verantwortlichen Landkreises, Dr. Schmidt und Dr. Schimanski, wurde über Vorteile und bürokratische Hemmnisse gesprochen.
Johannes Schlemermeyer, der im Nebenerwerb mit seiner Familie eine Mutterkuhzucht auf dem Hof Benther Mühle betreibt und mit zwei Freunden als „Beef Kings“ das regionale Fleisch seiner Rinder vermarktet, brachte es auf den Punkt: “Wir schlachten alle sechs Wochen, dann müssen wir die Tiere von der Herde trennen und einzeln transportieren. Eine hofnahe Schlachtung würde der Herde diesen Trennungsstress ersparen und dafür sorgen, dass man bis zuletzt sein Tier begleiten kann. Der letzte Weg muss anständig sein“. Das ist auch den anderen Weidetierhaltenden ein großes Anliegen.
Alwin Rolfes, dessen mobile Schlachteinheit auf Grund der aktuellen Gesetzeslage überwiegend für Notschlachtungen eingesetzt wird, erklärte den Interessierten Aufbau und Funktion des Wagens, der geeignet ist, alle Auflagen der Schlachtverordnung einzuhalten und so ein hofnahes Schlachten durchaus praktikabel macht.
Veterinär Dr. Schmidt fand die Idee des hofnahen Schlachtens aus Tierschutzsicht absolut sinnvoll, gab aber zu bedenken, dass sich durch diese Form der Schlachtung auch der Aufwand erhöhe. Die Vorschriften bestimmen, dass ein Veterinär den gesamten Vorgang von der Lebendbesichtigung bis zum Ende des Schlachtens begleiten muss und alles umfangreich dokumentiert sein will.
Die Landwirte hielten dagegen, dass es eine andere Regelung für kleine Betriebe geben müsse, um solche Einzelschlachtungen zu ermöglichen. “Das ist für uns ehrlich zu aufwändig!“ betont Schlemermeyer. „Das schaffen wir nicht. Es muss praxisnah sein! Der Spaß an unserer Arbeit vergeht uns am Schreibtisch“.
Maik Beermann und Frank Schmädeke waren sich einig, dass es dafür eine Lösung geben muss.
Sorge, dass der Vermarktungspreis für so produziertes Fleisch zu hoch sein könnte, besteht nicht. „Viele Kunden, die erkannt haben, woher der höhere Preis kommt, die werden auch bereit sein, weniger Fleisch zu essen und dafür auf die Qualität zu achten“, war man sich in der Runde einig.
Ob es gelingen wird, die Gesetzeslage so anzupassen, dass am Ende das hofnahe Schlachten eine praktikable Methode sein kann, darüber gab es unterschiedliche Auffassungen. Schließlich, so warfVeterinär Dr. Schmidt noch einmal ein, liege die Lösung nicht in Niedersachsen, sondern bei der EU, die das genehmigen müsse.
Dr. Frank Schmädeke sah das anders. „Unsere Aufgabe ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungenso gestalten, dass sie händelbar sind! Ich bin nicht bange, das Thema anzupacken. Genau dass, was heute besprochen wurde, trage ich nach Hannover, Maik Beermann nimmt es mit nach Berlin und wir sind gut vernetzt nach Brüssel“.
„Die große Unbekannte“ seien am Ende die Verbraucher. Aber er ist sich sicher, dass zunehmend mehr Menschen ein Gefühl dafür entwickeln, dass Tierwohl ein wichtiger Aspekt der Lebensmittelherstellung ist. Menschen seien bereit mehr Geld auszugeben, wenn sie dafür wissen, wie das Tier, dessen Fleisch sie essen aufgewachsen und geschlachtet worden ist.
„Das ist die Wertschätzung dessen, was ich esse. Wenn ein Tier geboren und geschlachtet wird, um dann später in der Mülltonne zu landen, weil das Fleisch so billig war, da sind meine ethischen Grenzen auch erreicht!“
Schmädeke ist zuversichtlich, dass regionale und tierwohlorientierte Fleischproduktion bald mehr sein wird als die Idee weniger. Es sei ein zartes Pflänzchen, aber man habe in Hannover erste Türen geöffnet und das Thema gemeinsam mit den Praktikern „platziert“, so der Landtagsabgeordnete abschließend.
(Fotos: Büro Schmädeke)