An einem besonderen Ort- die Gedenk und -Bildungsstätte „Pulverfabrik“
Am vergangenen Dienstag konnte ich einen Besuch unserer MdEP Lena Düpont in Begleitung von Hans-Gerd Pöttering, dem ehemaligen Präsidenten des Europa-Parlaments, nutzen, um eine ganz besondere Einrichtung aus meiner Heimat „in Europa“ vorzustellen.
Martin Guse, Gründer, Visionär und heute Leiter der Gedenk und -Bildungsstätte „Pulverfabrik“ hatte uns nach Liebenau eingeladen, um das Ergebnis langer Forschungen und unglaublichen Engagement vorzustellen. Am Ende eines langen, aufwendigen und schwierigen Prozesses war im vergangenen November die neue Dokumentationsstelle zur Pulverfabrik Liebenau in der ehemaligen Schule eingerichtet worden.
Dort sollen Interessierte – vor allem auch Schülerinnen und Schüler der unterschiedlichsten Jahrgänge – die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Thematik „Nationalsozialismus“ erhalten.
„Ich möchte, dass man das System „Zwangsarbeitslager“ versteht, in all seinen schlimmen Facetten, dass man einen Eindruck von der Dimension bekommt und damit sehr deutlich machen, dass bei aller Faszination über die technischen und baulichen Leistungen, die man hier umgesetzt hat, diese Pulverfabrik ein Ort des menschenverachtenden Grauens und des unvorstellbaren Leids und Unrechts war“, so der engagierte Sozialpädagoge.
Bei einem zweistündigen Rundgang durch die Ausstellung berichten Martin Guse und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Winter vom Werden der Einrichtung, aber auch intensiv über die Schicksale der Menschen, die dort unter schlimmsten Umständen Zwangsarbeit verrichten mussten.
20.000 Fremd- und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter aus den verschiedensten europäischen Nationen, Sowjetische Kriegsgefangene, die Häftlinge des „Arbeitserziehungslagers Liebenau“ und osteuropäische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mussten diese Arbeiten unter schwersten Lebensumständen verrichten. Weit über 2000 Frauen, Männer und Jugendliche starben an Mangelerkrankungen, Hunger und Schlägen sowie durch Erschießungen und Hinrichtungen.
Guse berichtet auch von den bewegenden Aufeinandertreffen zwischen ehemaligen Häftlingen und der 2002 gegründeten Jugend-Arbeitsgemeinschaft des Hauses, die in unterschiedlichen Projekten und Austausch-Aktionen miteinander in Kontakt gekommen sind.
Die Forschungs- und Dokumentationsarbeiten zur Pulverfabrik werden kontinuierlich fortgesetzt und ausgebaut und mündeten bisher regelmäßig in Veröffentlichungen und Ausstellungen.
Betroffen und fasziniert vom außergewöhnlichen Engagement und der sehr ansprechenden Ausstellung, diskutieren wir mit den Mitarbeitenden des Vereins auch über die Finanzierung der Gedenk- und Bildungsstätte. Neben einer unglaublichen Zahl von ehrenamtlich geleisteten Stunden, die bisher in das Projekt und auch in den Bau der neuen Dokumentationsstelle eingebracht wurden, dem Engagement der Samtgemeinde Weser-Aue, die das Gebäude zur Verfügung stellt und unterhält, braucht diese wichtige Einrichtung auch professionelle Mitarbeitende, die die Arbeit fortsetzen und verstetigen können.
Das Neu- und Umgestaltungsprojekt des Hauses wurde für einen „sehr schmalen Betrag“ mit viel Eigenleistung und Förderungen der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, der Samtgemeinde Liebenau, des Landkreises Nienburg/Weser, des Landschaftsverbandes Weser-Hunte, der Volksbank Nienburg und der VR-Stiftung der Volks- und Raiffeisenbanken durchgeführt. Die Arbeitsstellenverträge der Mitarbeitenden sind jedoch befristet und nicht abgesichert.
Im Gespräch mit Lena Düpont und Hans-Gerd-Pöttering versuchen wir, die Unterstützungsmöglichkeiten für diese Einrichtungen aus den Fördertöpfen der Europäischen Union zu sortieren und sind uns einig, dass die Arbeit der Liebenauer unbedingt unterstützungswürdig ist. „Wir sind hier im Herzen der Europäischen Union“, betont Lena Düpont.
“Damit so etwas nicht wieder passieren kann und wir in einem friedlichen Europa leben können, hat man diese Union gegründet und wir haben als Europäer und als Parlamentarier des Europäischen Parlaments das Interesse und die Pflicht, diese Idee weiterzuführen und zu unterstützen“.
MdEP Len Düpont
Man werde gemeinsam weiterdenken und sich in Brüssel dafür einsetzen, etwas passendes zu finden, um die Arbeit vor Ort in Liebenau verlässlich weiterführen zu können. Ich nehme diesen Auftrag ebenfalls mit nach Hannover, denn auch das Land hat eine Verpflichtung gegenüber der eigenen Geschichte..
Besonders beeindruckt war Lena Düpont von der aktuellen Bilderausstellung. Die Abgeordnete möchte die Ausstellung gerne ins Europäische Parlament bringen und lässt Martin Guse am Ende des Termins wissen, dass sie sich auf jeden Fall noch einmal melden wird, um die Gespräche weiterzuführen.
Obwohl es unser Zeitplan nicht ermöglicht hat, auch einen Rundgang auf dem Gelände zu unternehmen, konnten wir uns auch in der Ausstellung einen Überblick der Dimension machen- in einem Raum gibt es ein realistisches Modell der Pulverfabrik, wie sie in Betrieb ausgesehen hat und mittels VR-Brille ist auch eine 3D-Betrachtung möglich.
Herzlichen Dank an Martin Guse und sein Team für die Eindrücke.